Unternehmensbewertung verstehen: Methoden, Risiken, Praxis

1. Bewertungsmethoden: DCF, EBITDA-Multiples, Substanzwert
Discounted Cash Flow (DCF):
Der DCF-Ansatz ist eine der akademisch anspruchsvollsten Methoden. Hierbei werden die zukünftigen, erwarteten Cashflows des Unternehmens auf den heutigen Wert abgezinst. Die Herausforderung liegt in der realistischen Prognose der Cashflows und der Wahl des Diskontierungszinssatzes (WACC). In der Praxis ist DCF vor allem bei größeren, etablierten Unternehmen sinnvoll, deren Cashflows gut planbar sind.
Substanzwert:
Der Substanzwert (Net Asset Value) betrachtet das Unternehmen aus Sicht des bilanziellen Vermögens: Maschinen, Immobilien, Vorräte abzüglich Verbindlichkeiten. Diese Methode ist besonders bei asset-lastigen Unternehmen (z. B. Produktion, Immobilien, Handel) relevant, spielt aber bei Dienstleistungsunternehmen eine untergeordnete Rolle.
EBITDA oder EBIT-Multiples:
Die Bewertung mittels Multiplikatoren – insbesondere auf Basis von EBITDA oder EBIT – ist im KMU-Segment und bei Unternehmenskäufern die mit Abstand am weitesten verbreitete Methode. Dabei wird ein branchenüblicher Multiple (z. B. das 4- bis 6-fache des EBITDA) auf das operative Ergebnis angewandt, um einen realistischen Unternehmenswert zu ermitteln. Die konkrete Höhe des Multiples variiert in der Praxis je nach Wachstumsperspektive, Marktposition, Skalierbarkeit des Geschäftsmodells sowie der Übertragbarkeit der Unternehmensführung. Ein besonderer Vorteil dieses Ansatzes liegt in seiner schnellen Anwendbarkeit, der guten Vergleichbarkeit mit anderen Transaktionen und der hohen Marktnähe.
Führende internationale Beratungsunternehmen und M&A-Spezialisten – wie PwC, Deloitte, KPMG oder EY – veröffentlichen regelmäßig aktuelle Übersichten zu branchenüblichen Multiples. Diese Reports bieten wertvolle Benchmarks für Käufer und Verkäufer, um die Plausibilität einer Bewertung einzuordnen und Verhandlungen auf eine solide, marktorientierte Basis zu stellen. Gerade im dynamischen Mittelstandsmarkt ist es ratsam, sich auf diese Publikationen zu stützen, da sie aktuelle Preistrends, Bewertungsbandbreiten und Sondereffekte (z. B. durch Digitalisierung oder Nachfolgeboom) berücksichtigen.
2. Fallbeispiel: Einfache Modellierung einer Bewertung
Angenommen, ein Unternehmen erwirtschaftet ein jährliches EBITDA von 500.000 €.
Branchenüblicher Multiple: 5x
Unternehmenswert = 500.000 € × 5 = 2.500.000 €
Alternativ mit DCF (vereinfachte Annahme):
Erwartete Cashflows: 500.000 € p.a. über 5 Jahre, dann Verkaufserlös
Diskontierungszins: 10 %
Barwert der Cashflows (vereinfachte Formel):
Jahr 1: 500.000 € / 1,1 = 454.545 €
Jahr 2: 500.000 € / 1,1^2 = 413.223 €
…
(Summe der Barwerte + Barwert des Verkaufserlöses)
Beide Methoden liefern bei realistischen Annahmen oft ähnliche Ergebnisse, unterscheiden sich aber stark in ihrer Komplexität und den zugrunde liegenden Annahmen.
3. Common Pitfalls: Typische Fehlerquellen
Synergien überschätzen:
Häufig werden potenzielle Synergieeffekte (z. B. Kosteneinsparungen, Umsatzsteigerungen) zu optimistisch bewertet. Die Integration ist oft schwieriger als gedacht – daher sollten Synergien konservativ angesetzt oder als Upside betrachtet werden, nicht als Basis.
Working Capital ignorieren:
Viele Käufer unterschätzen den laufenden Kapitalbedarf für Lager, Forderungen und Verbindlichkeiten. Ein zu knapp kalkuliertes Working Capital kann schnell zu Liquiditätsengpässen führen und die Unternehmensentwicklung bremsen.
Einmalige Sondereffekte:
Bereinige das EBITDA um außergewöhnliche, nicht wiederkehrende Aufwendungen oder Erträge, um ein realistisches Bild der Ertragskraft zu erhalten.
Vergleichswerte falsch interpretieren:
Multiples aus anderen Branchen, Ländern oder Größenordnungen sind nicht ohne Weiteres übertragbar. Marktübliche Vergleichswerte müssen kritisch geprüft werden.
4. Dealstruktur: Asset Deal vs. Share Deal
Asset Deal:
Hier werden einzelne Vermögensgegenstände und Verträge des Unternehmens übernommen. Vorteil: Risiken (z. B. Altlasten, Verbindlichkeiten) können gezielt ausgeschlossen werden. Nachteil: Komplexere Übertragung, insbesondere bei vielen Einzelaktiva.
Share Deal:
Erwerb der Gesellschaftsanteile, das Unternehmen bleibt als Rechtsträger bestehen. Vorteil: Einfachere Übertragung, insbesondere bei komplexen Strukturen. Nachteil: Übernahme sämtlicher (auch versteckter) Risiken und Verpflichtungen.
Die Wahl der Dealstruktur hat erhebliche Auswirkungen auf Steuern, Haftung und Transaktionssicherheit und sollte immer individuell geprüft werden.
5. Fazit
Die Bewertung eines Unternehmens ist keine exakte Wissenschaft, sondern ein Zusammenspiel aus methodischer Präzision, kritischer Analyse und gesunder Skepsis gegenüber zu optimistischen Annahmen. Wer die gängigen Methoden kennt, typische Fallstricke vermeidet und die Dealstruktur klug wählt, legt den Grundstein für einen erfolgreichen Unternehmenskauf.