Was ein gutes Zielunternehmen ausmacht – Kriterien und Red Flags

Die Auswahl des richtigen Zielunternehmens ist einer der wichtigsten und zugleich anspruchsvollsten Schritte auf dem Weg zum erfolgreichen Unternehmenskauf. Wer hier unüberlegt oder aus dem Bauch heraus entscheidet, riskiert nicht nur finanzielle Verluste, sondern auch viel Zeit und Energie. Deshalb gilt: Nehmen Sie sich ausreichend Zeit, um zu definieren, welche Unternehmen überhaupt für Sie in Frage kommen – und warum. Die Branchenauswahl ist dabei der erste und entscheidende Schritt. Ein häufiger Fehler, den viele Käufer machen, ist das „Verlieben“ in eine Branche oder ein Geschäftsmodell, das sie persönlich spannend oder als Hobby faszinierend finden – etwa, weil sie selbst Musikliebhaber sind oder eine Leidenschaft für Gastronomie hegen. Doch die emotionale Bindung an ein Thema ist kein Garant für wirtschaftlichen Erfolg. Nur weil Sie Musik mögen, heißt das noch lange nicht, dass ein Musikgeschäft auch ein attraktives Investment ist. Professionelle Käufer analysieren nüchtern Marktpotenziale, Wettbewerbssituation und Geschäftsmodell - und lassen sich nicht von persönlichen Vorlieben blenden. Erst wenn die Branche und das grundsätzliche Geschäftsmodell zu Ihren Zielen, Fähigkeiten und zum Marktumfeld passen, lohnt es sich, einzelne Zielunternehmen genauer unter die Lupe zu nehmen. Im Folgenden zeigen wir, worauf Sie dabei achten sollten, wie Sie Risiken frühzeitig erkennen und warum ein strukturiertes Scoring-Modell den entscheidenden Unterschied macht.

1. Quantitative Kriterien: Die harten Fakten

Quantitative Kennzahlen sind die Basis jeder Unternehmensbewertung und ermöglichen einen objektiven Vergleich verschiedener Zielunternehmen. Besonders relevant – aber keineswegs abschließend – sind:

  • EBIT: Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern – ist eine der zentralen Kennzahlen zur Beurteilung der operativen Leistungsfähigkeit eines Unternehmens. Im Unterschied zum EBITDA berücksichtigt der EBIT auch die Abschreibungen auf Sachanlagen und immaterielle Vermögenswerte. Dadurch spiegelt der EBIT nicht nur die reine operative Ertragskraft wider, sondern gibt auch Aufschluss über die Investitionsintensität und den Verschleiß des Unternehmensvermögens. Ein stabiler oder wachsender EBIT zeigt, dass das Unternehmen nachhaltig profitabel wirtschaftet und auch nach Berücksichtigung der laufenden Abnutzung von Maschinen, Anlagen oder immateriellen Werten (wie Lizenzen oder Patenten) eine attraktive Rendite erzielt. Besonders im Vergleich mit branchentypischen EBIT-Margen lassen sich Stärken oder Schwächen im Geschäftsmodell identifizieren.
  • EBITDA: Das operative Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen gibt einen realistischen Eindruck von der tatsächlichen Ertragskraft – unabhängig von Bilanzierungs- und Finanzierungsstrukturen.
  • Umsatz: Ein kontinuierliches, idealerweise wachsendes Umsatzniveau zeigt Marktnachfrage und Stabilität.
  • Kundenstruktur: Eine breite, diversifizierte Kundenbasis reduziert das Klumpenrisiko.
  • Wachstumsraten: Historische und prognostizierte Wachstumszahlen verdeutlichen Potenzial und Dynamik des Unternehmens.

2. Qualitative Faktoren: Die weichen, aber entscheidenden Kriterien

Zahlen allein reichen für eine fundierte Entscheidung nicht aus. Mindestens ebenso wichtig sind qualitative Faktoren, die häufig den langfristigen Erfolg maßgeblich beeinflussen. Hierzu zählen unter anderem:

  • Wachstumspotenzial: Gibt es realistische Chancen für Expansion, Innovation oder neue Märkte?
  • Marktpositionierung: Wie ist das Unternehmen im Wettbewerb aufgestellt? Gibt es nachhaltige Alleinstellungsmerkmale?
  • Prozesse & Systeme: Sind Strukturen und Abläufe skalierbar und digitalisiert?
  • Abhängigkeiten: Besteht eine (zu) große Abhängigkeit von Schlüsselfiguren, Lieferanten oder Technologien?
  • Unternehmenskultur: Passen Werte, Führungsstil und Mitarbeiterstruktur zu Ihren eigenen Vorstellungen und Zielen?

3. Positiv- und Negativindikatoren

Um Ihnen einen schnellen Überblick zu geben, haben wir die wichtigsten Positiv- und Negativindikatoren (Red Flags) zusammengestellt.

Positivindikatoren (Top 10 – keine spezielle Reihenfolge):

  • Kontinuierlich steigender Umsatz und vor allem Gewinn
  • Diversifizierte, stabile Kundenbasis
  • Erfahrene, engagierte zweite Führungsebene
  • Klare Alleinstellungsmerkmale (USP)
  • Skalierbare Prozesse und IT-Systeme
  • Innovationskraft und Anpassungsfähigkeit
  • Transparente, nachvollziehbare Zahlen
  • Positive Unternehmenskultur und geringe Fluktuation
  • Klare Expansionsstrategie
  • Geringe rechtliche und regulatorische Risiken

Negativindikatoren (Red Flags, Top 10  – keine spezielle Reihenfolge):

  • Abhängigkeit von einzelnen Kunden (>30% Umsatz)
  • Intransparente Buchhaltung oder „kreative“ Bilanzierung
  • Hohe Mitarbeiterfluktuation
  • Veraltete IT-Systeme und Prozesse
  • Überalterte oder abwandernde Schlüsselpersonen
  • Offene Rechtsstreitigkeiten oder ungeklärte Haftungsfragen
  • Rückläufige Umsätze oder Gewinne
  • Fehlende Innovationsfähigkeit
  • Keine klaren Expansionsmöglichkeiten
  • Übermäßige Verschuldung oder Liquiditätsprobleme

4. Bewertung mit Scoring-Modell

Um die Vielzahl an Kriterien systematisch und vergleichbar zu bewerten, empfiehlt sich der Einsatz eines Scoring-Modells. Dabei erhält jedes Kriterium eine Gewichtung und Bewertung (1–5 Punkte), deren Summe ein Gesamtbild der Attraktivität des Zielunternehmens ergibt. So lassen sich verschiedene Unternehmen objektiver vergleichen und potenzielle Red Flags frühzeitig erkennen.

Beispiel für ein vereinfachtes Scoring-Modell

Die entstandenen Werte sind immer noch subjektiv, das Modell hilft jedoch objektive Kriterien bewusst mit einzubeziehen. Es hilft auch um mehrere Optionen untereinander zu vergleichen.

Fazit

Die Wahl des richtigen Zielunternehmens ist ein Balanceakt zwischen harten Zahlen, Menschen und Potenzialen. Lassen Sie sich nicht von persönlichen Vorlieben oder emotionalen Motiven leiten, sondern bewerten Sie Unternehmen strukturiert, objektiv und mit professioneller Distanz. Ein praxisbewährtes Scoring-Modell und die konsequente Beachtung von Positiv- und Negativindikatoren sind  Methoden, um bewusst objektive Kriterien miteinfließen zu lassen.