Die Feedback-Illusion: So entgehen Gründer falscher Bestätigung

Gerade für Gründer ist Feedback das wichtigste Werkzeug, um Geschäftsideen, Strategien oder neue Produkte auf den Prüfstand zu stellen. Doch wie belastbar ist das, was Sie im Markt, von potenziellen Kunden oder aus dem eigenen Netzwerk an Rückmeldungen erhalten? Die Realität: Die meisten Menschen sagen nicht, was sie wirklich denken – sondern das, was sie für sozial akzeptabel halten. Für Gründer birgt diese Feedback-Illusion enorme Risiken: Fehlallokation von Ressourcen, Fehleinschätzungen des Marktes und letztlich das Scheitern von Ideen, die nie wirklich auf den Prüfstand kamen. Hinweis: Der Mom Test ist kein Fragebogen oder Schema mit vorgegebenen Antworten, sondern eine Gesprächsphilosophie. Er hilft Gründern dabei, Gespräche so zu führen, dass echte Erfahrungen und Verhaltensweisen sichtbar werden – nicht bloß Meinungen oder Zustimmung. Entscheidend ist die Haltung des Fragenden, nicht eine Liste von Fragen.

Die Psychologie höflicher Antworten – speziell im Gründungskontext

Im deutschsprachigen Raum sind Harmonie und Professionalität zentrale Werte. Gerade Gründer erleben, dass potenzielle Kunden, Branchenkollegen oder sogar Freunde selten offen kritisieren. Die Gründe sind vielfältig: 

  • Rollen- und Statusdynamik: Wer als Gründer auftritt, genießt oft Vorschussvertrauen – und wird deshalb selten direkt kritisiert. 
  • Soziale Erwünschtheit: Niemand möchte als Bedenkenträger erscheinen oder Beziehungen gefährden, insbesondere bei innovativen Ideen. 
  • Confirmation Bias: Gründer suchen – oft unbewusst – nach Bestätigung für ihre Vision. Kritische Rückmeldungen werden ausgeblendet oder relativiert. 
  • Gruppendenken: Im eigenen Team oder unter Mitgründern werden abweichende Meinungen häufig nicht geäußert, um den Gründungsgeist nicht zu gefährden. 

Die Risiken für Gründer: 

Wer sich auf höfliche Zustimmung und oberflächliche Begeisterung verlässt, läuft Gefahr, an den Bedürfnissen des Marktes vorbeizuentwickeln. Die Folgen: 

  • Strategische Fehlentscheidungen: Ideen werden weiterverfolgt, für die es keinen echten Bedarf gibt. 
  • Innovationsstau: Echte Kundenprobleme bleiben unerkannt – das Produkt wird an der Zielgruppe vorbei entwickelt. 
  • Verpasste Marktchancen: Gründer investieren Zeit und Kapital in Projekte, die keine echte Nachfrage erzeugen. 
  • Teamdynamik: Kritische Stimmen im Gründungsteam verstummen, blinde Flecken bleiben bestehen.

Strategien gegen die Feedback-Illusion für Gründer

Feedback aktiv und gezielt einholen – mit dem Mom Test 

Es genügt nicht, nach Meinungen zu fragen („Wie finden Sie die Idee?“). Entscheidend ist, gezielt nach konkreten Erfahrungen und tatsächlichem Verhalten zu fragen: 

  • „Wie lösen Sie dieses Problem aktuell?“ 
  • „Wann haben Sie zuletzt für eine vergleichbare Lösung bezahlt?“ 
  • „Was war daran besonders hilfreich – und was hat Sie gestört?“ 

Der Mom Test ist hier das zentrale Werkzeug: Fragen Sie so, dass selbst Ihre engsten Vertrauten nicht mehr aus Höflichkeit antworten können. 

Kritische Stimmen wertschätzen und sichtbar machen 

Schaffen Sie ein Umfeld, in dem abweichende Meinungen und kritische Rückmeldungen ausdrücklich erwünscht sind – etwa durch gezielte Nachfrage nach Gegenargumenten: 

  • „Was spricht aus Ihrer Sicht gegen dieses Geschäftsmodell?“ 
  • „Wer sieht das anders – und warum?“ 

Zeigen Sie, dass Sie Kritik nicht nur aushalten, sondern aktiv suchen. 

Anonyme und externe Feedback-Kanäle nutzen 

Gerade in der frühen Validierungsphase empfiehlt es sich, Feedback auch anonym oder durch externe Moderatoren einzuholen. So senken Sie die Schwelle für ehrliche Rückmeldungen und vermeiden, dass Beziehungen das Ergebnis verfälschen. 

Fehlerfreundlichkeit als Gründungsprinzip etablieren 

Fehler und Irrtümer sind im Gründungsprozess unvermeidlich – entscheidend ist, daraus systematisch zu lernen. Kommunizieren Sie offen über Fehlannahmen und Kurskorrekturen, damit das Team und alle Stakeholder den Mut behalten, auch unbequeme Wahrheiten zu adressieren. 

Systematische Auswertung und Follow-up 

Dokumentieren Sie, welches Feedback Sie erhalten, wie Sie damit umgehen und welche Konsequenzen Sie daraus ableiten. Kommunizieren Sie transparent, welche Rückmeldungen zu Veränderungen geführt haben – das fördert weitere Offenheit und Vertrauen. 

Feedback als kontinuierlichen Validierungsprozess verstehen 

Die Validierung einer Geschäftsidee ist kein einmaliges Ereignis, sondern ein fortlaufender Prozess. In jeder Phase – von der ersten Marktanalyse bis zum Go-to-Market – sollten Sie gezielt nach abweichenden Meinungen und Verbesserungspotenzialen suchen. 

Persönliches Vorbild: Selbstkritik und Offenheit leben 

Als Gründer prägen Sie die Feedbackkultur. Bitten Sie aktiv um Kritik, reflektieren Sie eigene blinde Flecken und zeigen Sie, dass Sie bereit sind, die eigene Komfortzone zu verlassen. 

Eine praxisnahe Anleitung mit Fragebeispielen finden Sie hier.

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Fazit

Die Feedback-Illusion ist für Gründer ein zentrales Risiko – und zugleich eine der größten Chancen. Wer es schafft, die eigenen Routinen und die Unternehmenskultur gezielt auf Offenheit und kritisches Denken auszurichten, legt das Fundament für bessere Entscheidungen, echte Innovation und nachhaltigen Markterfolg. Die zentrale Frage ist nicht, ob Sie sich die Wahrheit leisten können – sondern ob Sie es sich leisten können, weiterhin darauf zu verzichten. Wie Sie den Ansatz ganzheitlich verankern, zeigt unser Übersichtsartikel zum Mom Test.

➡️ weiterführenden Artikel:
Der Mom Test in der Praxis: So gewinnen Sie ehrliches Feedback
Startup - Von der Idee zum Kunden